🇺🇸 Das US-Wahlsystem
In den USA gibt es keine zentrale Wahlleitung. Die Wahlen werden auf Ebene der 50 Bundesstaaten überwacht und von Angestellten auf lokaler Ebene geleitet. Entscheidend ist dabei das System der sogenannten Wahlleute. Jeder Bundestaat hat eine feste Anzahl repräsentativer Wahlleute, deren Anzahl an die Einwohnerzahl des Staates gekoppelt ist. Die Bürger*innen wählen nicht die Präsidentschaftskandidat*innen direkt, sondern deren stellvertretende Wahlleute im jeweiligen Bundesstaat. Dabei gilt das „Winner-Takes-All“-Prinzip, das heißt, der Kandidat/die Kandidatin, welche*r die meisten Stimmen in einem Bundesstaat gewinnt, erhält alle Wahlleute dieses Staates. Der/die Kandidat*in mit mindestens 270 von 538 Wahlleuten gewinnt die Wahl.
🔭 Wer gewinnt?
Natürlich können auch wir nicht in die Glaskugel schauen, jedoch erscheinen aufgrund der vergangenen Wahl bestimmte Szenarien besonders wahrscheinlich. Wie bereits vor vier Jahren kann auch 2024 die Führung während der Auszählung wechseln: So lag Trump 2020 am Morgen nach der Wahl noch deutlich vorne, ehe Biden seine erfolgreiche „Aufholjagd“ startete. Verantwortlich dafür war der Covid-bedingt hohe Anteil an Briefwahlstimmen, die erst später ausgezählt wurden – und auf diese Form der Stimmabgabe setzten damals vor allem demokratische Wähler. Ein ähnliches Bild könnte sich auch in diesem Jahr zeigen: Es ist möglich, dass Trump zunächst vorne liegen könnte, der Vorsprung sich dann aber wieder einengen könnte. Der Grund ist die unterschiedliche Handhabung der Briefwahlstimmen in den einzelnen Bundesstaaten. Während in einigen Staaten bereits vor dem eigentlichen Wahltag mit der recht aufwändigen Prozedur der Überprüfung und Auszählung der Stimmen begonnen werden darf, ist dies etwa in den besonders umkämpften Staaten Pennsylvania und Wisconsin nicht der Fall: Hier muss bis zur Schließung der Wahllokale gewartet werden, ehe es ans Auszählen der Briefwahlstimmen geht.
📈 Auswirkungen auf die Kapitalmärkte
Was bedeutet all das für die Kapitalmärkte? Der unklage Ausgang der Wahl ist eine Phase der Unsicherheit und spricht zunächst einmal für schwankungsanfällige Märkte. Wie vor vier Jahren dürfte sich ein in Führung liegender Trump früh zum Sieger erklären. Es wird in den Stunden und Tagen nach der Wahl stark darauf ankommen, die wirklichen Neuigkeiten aus der Masse an Desinformationen herauszufiltern. Selbst wenn das Ergebnis hinreichend klar ist, wird es eine Reihe von Anfechtungsklagen geben – 2020 waren es über 60, die allesamt abgewiesen wurden. Auch hier wird es darauf ankommen, relevante Verfahren herauszuarbeiten, um die Kapitalmarktreaktionen einordnen zu können. Gibt es hinreichend Sicherheit über den Wahlausgang, dürften auch wieder die fundamentalen Themen die Märkte treiben:
Es ist wahrscheinlich, dass im Falle eines Harris-Siegs die Aktienmärkte zunächst leicht negativ reagieren. Trumps Pläne zur weiteren Senkung der Unternehmenssteuern wären ebenso vom Tisch wie eine weitere Deregulierung, etwa in den Sektoren (fossile) Energie und Finanzen. Strengere politische Vorgaben im Gesundheitswesen dürften wiederum Gegenwind für Pharma-Aktien bedeuten. Positive Effekte durch Harris‘ Agenda erwarten wir hingegen für Industriewerte und Versorger. Die Weiterführung von Bidens Investitionsprogrammen sowie eine generell aufgeschlossenere Einstellung mit Blick auf Erneuerbare Energie könnten hier für eine freundliche Reaktion sorgen. Gewichtige Sektoren wie IT und Konsumgüter dürften hingegen unter einer Präsidentin Harris zunächst weder in die eine noch in die andere Richtung stärker beeinflusst werden.
Die kurzfristige Aktienmarktreaktion auf einen Trump-Sieg dürfte letztlich ähnlich aussehen – nur mit umgekehrten Vorzeichen: Öl- und Gas-Unternehmen könnten ebenso wie Banken und Versicherer von der angekündigten Deregulierung profitieren. Darüber hinaus könnte die Immobilienbranche durch eine lockerere Kreditvergabe angekurbelt werden. Versorger hätten es hingegen schwerer, da etwa einzelne Investitionsanreize in punkto Erneuerbare Energien gestrichen würden. Bei Nicht-Basiskonsumgütern könnten hingegen die Erwartungen an höhere Zölle und steigende Löhne durch die geplanten Ausweisungen von illegalen Einwanderern die Preise in die Höhe treiben.
Auf der Rentenseite dürften die Zinsen bei einem Trump-Sieg zunächst steigen. Wie bereits nach seinem letzten Erfolg 2016 kann erneut mit einer erhöhten Staatsverschuldung und Inflation gerechnet werden. Gewinnt Harris, dürfte die erste Reaktion gegenteilig ausfallen.
Das größte Risiko wäre eine länger anhaltende Unklarheit über den Wahlausgang. Risikomärkte kämen dann stark unter Druck, Sicherheit würde gesucht – ob in Staatsanleihen oder in Gold. Daneben bieten aber letztlich beide Kandidat*innen Perspektiven für die Kapitalmärkte. Eine einseitige Positionierung vor der Wahl erscheint jedoch aufgrund des knappen Rennens nicht ratsam.
Die Geldanlage in Fonds ist mit Risiken verbunden, die zu einem Verlust deines eingesetzten Kapitals führen können. Historische Werte oder Prognosen geben keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung. Bitte mach dich deshalb mit unseren Risikohinweisen vertraut.