VON ANFANG AN, WO ALLES BEGANN.

Es ist der 12. Dezember 2015, auf der Klimakonferenz in Paris wird Geschichte geschrieben: Die internationale Staatengemeinschaft beschließt das Pariser Klimaabkommen. 195 teilnehmende Staaten verpflichten sich, einen nationalen Klimaschutzbeitrag inklusive Maßnahmen zu erarbeiten. Ziel ist es, die Weltwirtschaft klimafreundlich aufzustellen und die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2°C und möglichst unter 1,5°C einzudämmen.

Ein zentraler Bestandteil dieses Klimaabkommens ist das Thema Finanzierung. Denn klar ist, dass die gesteckten Klimaziele nur erreicht werden können, wenn die internationalen Finanzströme darauf ausgerichtet werden. Das heißt, dass sowohl öffentliche als auch private Investitionen die Umsetzung der Ziele unterstützen müssen, Gelder also gezielt darauf gelenkt werden. Genau hier kommt der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ins Spiel.

EU-AKTIONSPLAN

Im März 2018 veröffentlichte die EU-Kommission einen „Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Dieser folgt dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2013 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung. Der Aktionsplan verfolgt drei zentrale Ziele:

1. Kapitalflüsse sollen in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden.
2. Einbettung von Nachhaltigkeit (ökologische und soziale Risiken) in das Risikomanagement.
3. Die Transparenz und Langfristigkeit von Nachhaltigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit soll gefördert werden.

Zur Erreichung dieser Ziele wurden 10 Maßnahmen definiert, die den 4 Themenblöcken Taxonomie & Standards, Finanzmarktregulierung, Aufsichtsrechtliche Regulierung und Offenlegung & Langfristigkeit zugeordnet werden können:

TAXONOMIE & STANDARDS

1. EU-Taxonomie: Einführung eines EU-Klassifikationsschemas, das ein einheitliches Verständnis für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten ermöglichen soll.

2. Standards und EU-Umweltzeichen: Auf Basis der Taxonomie sollen Normen und Kennzeichen, wie z. B. ein Eco-Label, für umweltfreundliche Finanzprodukte definiert werden.

3. Effizienzsteigerung: Förderung von Investitionen in nachhaltige Projekte.

FINANZMARKT­REGULIERUNG

4. Nachhaltigkeitspräferenzabfrage: Finanzmarktteilnehmer, wie z. B. Finanzberater oder Vermögenverwaltungen, sollen die individuellen Präferenzen ihrer Kunden und Kundinnen in Bezug auf nachhaltige Faktoren (ESG) berücksichtigen. Mehr dazu erfährst du in unserem Blog-Post "Nachhaltigkeitspräferenzabfrage? Mehr Transparenz für nachhaltige Geldanlagen!".

5. Nachhaltigkeits-Benchmarks: Die Entwicklung von Nachhaltigkeits-Benchmarks (z. B. CO2-Benchmarks) soll transparente ESG-Indizes sicherstellen.

6. Integration von Nachhaltigkeit in Ratings und Marktanalysen: Eine bessere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in Ratings und Marktanalysen soll zur Umlenkung von Kapital in nachhaltige Investitionen beitragen.

7. Nachhaltigkeitspflichten bei institutionellen Anlegern/ Vermögensverwaltern: Pflichten bzgl. der Einbeziehung und Transparenz von Nachhaltigkeitskriterien und -risiken sollen geklärt werden.

AUFSICHTS­RECHTLICHE REGULIERUNG

8. Aufsichtsvorschriften für Banken und Versicherungsgesellschaften: Berücksichtigung von klima- und umweltrelevanten Risiken in den Aufsichtsvorschriften.

OFFENLEGUNG & LANGFRISTIGKEIT

9. Transparenz: Stärkung der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen und zur Rechnungslegung.

10. Unternehmensführung und Short-termism: Förderung nachhaltiger Unternehmensführung und Abbau von kurzfristigem Denken an den Kapitalmärkten.

Die Umsetzung dieser 10 Maßnahmen geht Schritt für Schritt voran und befindet sich teilweise auch schon auf der Zielgeraden. Einen besonderen Fokus richtet der Aktionsplan auf die Entwicklung der EU-Taxonomie, die eine Vorbedingung zur Umsetzung von Maßnahmen wie zum Beispiel Normsetzung, Umweltsiegel oder Verwendung von Benchmarks ist. Was es damit genau auf sich hat, schauen wir uns im Folgenden an.

EU-TAXONOMIE

Worum geht’s bei der EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das bei der Bestimmung helfen soll, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist und einen „grünen“ Beitrag leistet. Anstelle eines Flickenteppichs an nationalen und zum Großteil freiwilliger Kriterien und Vorstellungen von „nachhaltigem Wirtschaften“, etabliert die EU somit ein einheitliches Kennzeichnungssystem. Der Anspruch: Nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten sollen in Zukunft mit Hilfe klar wissenschaftlich basierter Kriterien identifiziert werden. Dies geschieht mit Blick auf 6 Umweltziele:

  1. Minderung des Klimawandels
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

An diesen konkreten Zielen wird klar: Die Taxonomie ist keine allumfassende Definition für nachhaltiges Investieren und erhebt diesen Anspruch auch nicht. Vielmehr definiert sie, welche Wirtschaftsaktivitäten einen positiven Einfluss auf die 6 genannten Umweltziele haben und ist damit ein sehr fokussiertes und detailliertes Kennzeichnungssystem. Übergeordnetes Ziel ist es, private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten zu lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel voranzutreiben. Dadurch schafft die Taxonomie auch Anreize für Unternehmen, sich nachhaltig aufzustellen. Denn die transparente Beeinflussung von Investitionsentscheidungen könnte auch Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben.

Wann ist eine wirtschaftliche Aktivität laut Taxonomie ökologisch nachhaltig?

Um nach der Taxonomie als ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivität anerkannt zu werden, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Die Einhaltung sozialer Kriterien orientiert sich an bewährten Standards, wie z. B. den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und UN-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Was die Umweltziele angeht, sind bislang nur Bewertungskriterien für die ersten beiden Ziele der Taxonomie – Minderung des und Anpassung an den Klimawandel – konkret definiert. Der entsprechende Rechtsakt identifiziert derzeit insgesamt 70 wirtschaftliche Aktivitäten für das Umweltziel Klimaschutz (Climate Change Mitigation) und 68 Aktivitäten für das Umweltziel Klimawandelanpassung (Climate Change Adaptation; Ausführliche Informationen dazu findest du hier). Kriterien zu den restlichen vier Umweltzielen sind derzeit in der Abstimmungsphase und daher nicht final zugänglich. Insgesamt weisen die bisher definierten Kriterien einen hohen Detailgrad auf, was die Taxonomie von anderen grünen Bewertungsmaßstäben, wie z. B. den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), abhebt.

Die EU-Taxonomie setzt als Herzstück des EU-Aktionsplans neue, sehr konkrete Maßstäbe für nachhaltiges Investieren, ist aber auch Adressat von kritischen Stimmen. Das Forum nachhaltiger Geldanlagen (FNG) kritisiert zum Beispiel, dass sich die EU-Maßnahmen insgesamt und insbesondere die EU-Taxonomie zu sehr auf Klimaschutz fokussieren. Nachhaltige Investments sollten jedoch immer alle drei ESG-Aspekte – Umwelt, Soziales und Governance – berücksichtigen. Diesen breiten ESG-Ansatz verfolgen wir bei VisualVest mit unseren nachhaltigen Anlagestrategien. Dabei stehen neben dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung von Naturgütern (Umwelt) auch die Sicherung von Frieden, Menschenrechten und guten Arbeitsbedingungen (Soziales) bzw. die Sicherstellung der unternehmerischen Verantwortung für die Gesellschaft (Governance) im Fokus (s. GreenFolios von VisualVest).

Und auch Anfang Juli sorgte die Schlagzeile „Europarlament stuft Atom und Gas als klimafreundlich ein“ für Aufruhr. So hat das Europäische Parlament nach Vorschlag der EU-Kommission dafür gestimmt, Investitionen in Gas- und Atomstrom im Rahmen der Taxonomie unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Die Abstimmung galt zuvor als völlig offen. Eine entscheidende Rolle spielte in diesem Kontext Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein. Die Bewegung Fridays for Future bezeichnete das Abstimmungsergebnis als „katastrophale Entscheidung“; Greenpeace, der WWF und die EU-Mitgliedsstaaten Österreich und Luxemburg kündigten an, rechtliche Schritte dagegen einzuleiten. Befürworter verweisen hingegen auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien und auf einen möglichen Anstieg des Strombedarfs – auch bedingt durch die angespannte Situation auf dem Rohstoffmarkt durch den Ukraine-Krieg.

Die Geldanlage in Fonds ist mit Risiken verbunden, die zu einem Verlust deines eingesetzten Kapitals führen können. Historische Werte oder Prognosen geben keine Garantie für die zukünftige Wertentwicklung. Bitte mach dich deshalb mit unseren Risikohinweisen vertraut.